Telefon-Service gibt Gehörlosen mehr Freiheit

Alsfeld (dpa) - Astrid Mainzer war meist auf Faxe und E-Mails angewiesen, wenn sie von zu Hause aus mit Behörden oder ihrem Arzt Kontakt aufnehmen wollte. Eine Antwort ließ oft lange auf sich warten. Seit kurzem nutzt die fast taube 39-Jährige aus Bielefeld aber einen Telefon-Vermittlungsdienst im mittelhessischen Alsfeld.

Im Call Center Vogels & Berger «leihen» sich hörgeschädigte Menschen, die nicht oder nur schlecht sprechen können, eine Stimme, um mit Hörenden zu telefonieren. Dabei liest ein Gesprächs-Vermittler dem Angerufenen die schriftliche Nachricht des Gehörlosen vor. Die Reaktion bekommt der Hörgeschädigte dann sofort per Text mitgeteilt, so dass ein Dialog entstehen kann.

«Die Telefonvermittlung macht mich unabhängig und freier», schreibt Astrid Mainzer, die den Service rund 20 Mal genutzt hat. In den USA, der Schweiz und Holland sind solche Dienste längst Alltag. In Deutschland, wo es rund 80 000 Gehörlose und weit mehr als eine Million stark Schwerhöriger gibt, ist die gemeinnützige Weiterbildungs-Gesellschaft in Alsfeld ein Vorreiter. Allerdings steht das Projekt, das im Mai vergangenen Jahres startete, finanziell noch auf wackligen Füßen.

Die schwerhörigen und gehörlosen Menschen schreiben über eine Internet-Homepage unter www.vogelsundberger.de oder mit ihrem Schreibtelefon zu Hause eine Mitteilung an einen Hörenden. Die Telefonvermittler im Call Center rufen diesen dann an und lesen ihm die Nachricht vor. Die mündliche Antwort oder Frage des Hörenden wird den Hörgeschädigten dann schriftlich mitgeteilt. Die beiden «Gesprächspartner» bleiben über den Vermittler verbunden und können immer wieder aufeinander reagieren. Rund 2000 Gespräche sind so bislang bei Vogels & Berger geführt worden.

«Ich kann jetzt über das Call Center meine Blutwerte beim Arzt abfragen», berichtet Astrid Mainzer, deren Schwerhörigkeit im Alter von 15 Jahren begann. Sie müsse nun auch seltener mit einem Gebärden-Dolmetscher zu den Behörden fahren, um Probleme regeln zu können.

Einen ähnlichen Telefon-Dienst für Hörgeschädigte bietet auch eine Firma in München an. «Aber Vogels & Berger ist Pionier auf dieser professionellen Basis», sagt der Geschäftsführer des Unternehmens «e.d.pfau know how», Sebastian Braumandl. Verbände der Hörgeschädigten in Deutschland befürworten den Telefonvermittlungs-Dienst, weil er helfe, Kommunikationsbarrieren und die Benachteiligung Behinderter abzubauen. Der neue Service ermögliche eine spontane Kommunikation, die den Gewohnheiten Hörender am nächsten komme, lobt das Team des Internet-Forums für Hörgeschädigte, www.taubenschlag.de .

Manchen Behörden fehlt allerdings das Verständnis für den ungewöhnlichen Telefon-Service. Da die Betroffenen ihre Nachrichten und Fragen immer erst tippen müssen, entstehen oft längere Gesprächspausen. Einige Mitarbeiter in Behörden reagierten dann ungeduldig und genervt, berichtet die Telefonvermittlerin Margita Eisenach, die Hörgeschädigten ihre Stimme leiht. Sie und ihre beiden Kollegen - einer arbeitet wegen eines Bandscheibenvorfalls auch im Liegen - haben Schweigepflicht und dürfen sich nicht in die Gespräche einmischen. Die Vermittler - «Agenten» genannt - stoßen aber auch an Grenzen, wenn Hörgeschädigte die Schriftsprache nur schlecht beherrschen und die geschriebenen Sätze unverständlich sind, wie die Leiterin des Call Center, Dagmar Gottschalk, schildert.

Außerdem können die hohen Telefon-Kosten von 21 Cent (41 Pfennige) pro Gesprächs-Minute manchen Hörgeschädigten abschrecken. Um Kosten deckend zu arbeiten, wäre allerdings ein weit höherer Preis notwendig, sagt Michael Riese, Geschäftsführer der Gesellschaft für Weiterbildung. Diese Tochtergesellschaft der Kreisvolkshochschule in Alsfeld finanziert den Vermittlungsdienst noch aus anderen eigenen Einnahmen, hofft aber auch auf Unterstützung des Sozialministeriums und der Integrationsämter in Hessen.

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Verbraucher & Service 'Ratgeber Pflegegutachten' zeigt Weg vom Antrag bis zur Leistung

Frankfurt (AP) Für ambulante Pflegedienste oder stationäre Pflegeleistungen zahlen in der Regel die Pflegeversicherungen. Dies gilt allerdings nur, wenn der Versicherte auch tatsächlich als pflegebedürftig eingestuft wird. Die Entscheidung über den Grad der Pflegebedürftigkeit und den Umfang der Leistungen der Kassen trifft ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nach einem Besuch bei und einem Gespräch mit den Betroffenen.

Um Ängste und Unsicherheiten von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen abzubauen, bieten die Verbraucherzentralen den «Ratgeber Pflegegutachten» an. Die Broschüre bietet nach Angaben der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz einen nützlichen Leitfaden für die Vorbereitung auf sowie Verhaltenstipps für das Gespräch des MDK-Gutachters. Er zeigt auf, mit welchen Fragen Kranke und Angehörige rechnen müssen und welche Feinheiten bei den Antworten manchmal darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang Leistungen befürwortet werden.

Hinzu kommen Hinweise auf die Besonderheiten bei der Begutachtung pflegebedürftiger Kinder und geistig Behinderter oder psychisch Kranker. Außerdem bietet der Ratgeber einen Überblick über das Verfahren und die Leistungen der Pflegeversicherung und zeigt auf, wie Widerspruch gegen eine Antragsablehnung oder die Einordnung in eine bestimmte Pflegestufe eingelegt werden kann.

Ergänzt wird der Ratgeber durch ein «Pflegetagebuch», das bei der Dokumentation aller Verrichtungen für einen Pflegebedürftigen hilft. Nach Angaben der Verbraucherschützer kann es einem Gutachter, der nur kurze Zeit mit dem Pflegebedürftigen verbringt, wertvolle Informationen über die Probleme des jeweiligen Pflegefalls im Alltag liefern.

Der «Ratgeber Pflegegutachten» ist im Paket mit dem «Pflegetagebuch» zum Abholpreis von 9,50 Mark (4,86 Euro) in allen Beratungsstellen der Verbraucherzentralen erhältlich. Gegen Aufpreis können der Ratgeber und das «Pflegetagebuch» auch per Post und gegen Rechnung bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, Ludwigstraße 6, 55166 Mainz, bestellt werden.

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