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Eltern für sich und ihre behinderte, auf den Rollstuhl angewiesene 13-jährige
Tochter eine Busrundreise in den USA und ist weder der Bus noch die
Hotels behindertengeeignet, so ist für die Beurteilung, ob ein
Reisemangel vorliegt, darauf abzustellen, welche tatsächlichen Umstände
in den USA im Hinblick auf die Rollstuhlfahrergeeignetheit von öffentlich
genutzten Bussen, insbesondere Reisebussen, sowie von Hotels herrschen.
Außerdem hat ein Reiseveranstalter zu beachten, daß ein
Rollstuhlfahrer grundsätzlich eine Reise eigenständig durchführen und
seinen Urlaub verbringen will, ohne ständig auf die Hilfe Dritter zur
Überwindung von Hindernissen bei der Benutzung eines Busses oder von
Hotelzimmern angewiesen zu sein Die Berufung eines Reiseveranstalters
gegen ein Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg blieb deshalb erfolglos,
wie sich aus dem rechtskräftigen Urteil der 24. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.06.1999 - Az. 2/24 S 344/98 -
ergibt.
Zwischen den Parteien war ein Vertrag über eine Reise in die USA in der
Zeit vom 16.6. bis 08.7.1997 zustandegekommen, die eine Bus-Rundreise an
der Westküste der USA sowie einen Hotelaufenthalt in Hawaii nebst Flügen
von Berlin nach Las Vegas und zurück umfaßte. Der für die Rundreise
eingesetzte Bus war nicht rollstuhlgeeignet, so daß die Eltern die
Tochter jeweils in den Bus hinein- und hinausheben mußten. Für die
letzten sechs Übernachtungen ihres Aufenthaltes in dem Hotel in Hawaii
erhielten die Kläger ein rollstuhlgeeignetes Zimmer, für das sie einen
Aufpreis zu zahlen hatten, während sie in der Nacht zuvor, wie auch in
den anderen Hotels, in einem normalen Zimmer für 3 Personen
untergebracht waren.
Zwischen den Parteien war streitig, inwieweit die Kläger, die nach
ihren Angaben die Verhältnisse in den USA kannten, auf das Erfordernis
rollstuhlgeeigneter Transportmittel und Unterkünfte für ihre Tochter
hingewiesen hatten.
Die Kläger haben eine Minderung des Reisepreises sowie eine Erstattung
der zusätzlichen Hotelkosten im Hotel in Hawaii mit einem Gesamtbetrag
von knapp DM 4.000 begehrt, worauf das Amtsgericht rund DM 2.000
zugesprochen hat. Die Kläger waren damit zufrieden, der beklagte
Reiseveranstalter legte dagegen - erfolglos - Berufung ein mit dem Ziel
der Klageabweisung.
Im Berufungsurteil heißt es auszugsweise:
Nach der Beurteilung der Kammer stehen den Klägern die erstinstanzlich
zuerkannten Ansprüche in Höhe von DM 1.913,02 zu, weil die Beklagte
gegen eine ihr obliegende Aufklärungspflicht verstoßen hat, weil sie
die Kläger vor bzw. bei Abschluß des Reisevertrages trotz Kenntnis der
Tatsache, daß die mitreisende Tochter Rollstuhlfahrerin ist, nicht
darauf hingewiesen hat, daß der von ihrem Vertragsunternehmen
eingesetzte Bus für die Durchführung der Rundreise an der Westküste
der USA nicht rollstuhlgeeignet sein werde und in dem Hotel Hawaiian ...
nicht ohne besondere Buchung gegen Aufpreis ein rollstuhlgeeignetes
Zimmer zur Verfügung stehen werde.
Die im jeweiligen Fall konkreten Aufklärungs- und Hinweispflichten
richten sich gerade danach, was für den potentiellen Reisekunden
objektiv erkennbar für den Abschluß des Vertrages von Bedeutung ist.
Insoweit kommt es neben dem Inhalt der Erklärungen auf die Person des
Reisenden sowie auf die Art der beabsichtigten Reise und das Reiseziel
an.
Hierzu ist im vorliegenden Fall festzustellen, daß für die
Mitarbeiterin der Beklagten bei Buchung der Reise durch die Kläger
erkennbar war, daß es diesen auf die Frage der Rollstuhlgeeignetheit
des Reisebusses sowie der Hotelzimmer ankam. Dies gilt auch dann, wenn
die Kläger nicht ausdrücklich erklärt haben, daß sichergestellt sein
müsse, daß die Einzelbestandteile der Reise auch rollstuhlgeeignet
seien, denn auch unter Zugrundelegung der zwischen den Parteien
unstreitigen Umstände mußte sich für die Mitarbeiterin der Beklagten
die ersichtliche Bedeutsamkeit der Rollstuhlgeeignetheit des
Transportmittels und der Unterkünfte ergeben. So war nämlich
unstreitig bekannt, daß die Tochter aufgrund ihrer Körperbehinderung
zu ihrer Fortbewegung einen Rollstuhl benutzt. Desweiteren ist bei einem
Rollstuhlfahrer - wenn keine dagegensprechenden Anhaltspunkte
ersichtlich sind - gerade davon auszugehen, daß er grundsätzlich eine
Reise eigenständig durchführen und seinen Urlaub verbringen will, ohne
ständig auf die Hilfe Dritter zur Überwindung von Hindernissen bei der
Benutzung eines Busses oder von Hotelzimmern angewiesen zu sein, was
sowohl für Alleinreisende als auch für Reisende in Begleitung gilt,
wenn der Rollstuhlfahrer aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten in
dem gewählten Reiseland davon ausgehen durfte, daß dies ohne
Schwierigkeiten möglich sein werde.
Nach
oben
Insofern ist folglich darauf abzustellen, welche tatsächlichen Umstände
in den USA im Hinblick auf die Rollstuhlfahrergeeignetheit von öffentlich
genutzten Bussen, insbesondere Reisebussen, sowie von Hotels herrschen.
Hierzu ist aber festzustellen, daß in den USA, was den Klägern auch
bekannt war, gerade für Körperbehinderte bzw. Rollstuhlfahrer
wesentlich geeignetere Verhältnisse gegeben sind als etwa noch in
Europa oder anderen Kontinenten.
So ist in den USA nämlich bereits - wie der Kammer bekannt - eine
Vielzahl von öffentlichen Verkehrsmitteln derart konstruiert, daß
Rollstuhlfahrer, ohne ihr Fortbewegungsmittel verlassen zu müssen, über
eine Rampe bzw. eine Rollstuhlhebevorrichtung in den Bus und aus diesem
herausgelangen können und ein eigener Platz für ihren gegen das
Wegrollen zu sichernden Rollstuhl vorgesehen ist. Abgesehen von der
Vielzahl öffentlicher Verkehrsmittel im engeren Sinn bieten auch
private Anbieter von Reisebussen in einer Vielzahl solche Möglichkeiten
an, so daß jedenfalls auf kurzfristige, vorherige Nachfrage des Kunden
gerade derart ausgerüstete Busse zur Verfügung gestellt werden können,
wenn diese nicht schon per se für den Einsatz auf einer Route
vorgesehen sind. So bietet unter anderem z.B. das bekannte Unternehmen
"Greyhound" mit Hebevorrichtungen ausgerüstete Reisebusse mit
einem bevorzugten Service für behinderte Reisegäste an ebenso wie etwa
der Veranstalter "Travelways". Insgesamt herrscht in den USA nämlich
bereits der Grundsatz, daß auch ein Rollstuhlfahrer überall ohne
besondere eigene Anstrengungen hinkommen muß, was eine Umsetzung in der
Konstruktion neuer Beförderungsmittel bzw. teilweise auch Umrüstung
alter Beförderungsmittel gefunden hat.
Diese tatsächlichen Verhältnisse in den USA haben ihre gesetzliche
Grundlage in dem Bundesgesetz vom 26.7.1990, dem "Americans with
Disabilities Act of 1990" (42 USC 12101) kurz genannt ADA.
Demgemäß konnten die Kläger auch bei ihrer Buchung jedenfalls davon
ausgehen, daß ihre Tochter ohne den Rollstuhl verlassen und in das
Fahrzeug hineingehoben werden zu müssen, Zugang zu dem Reisebus während
der 15-tägigen Rundreise würde erlangen können. Wenn dies hier ohne
vorherige ausdrückliche Vereinbarung entgegen der aufgrund der tatsächlichen
Verhältnisse in den USA berechtigten Erwartung der Kläger gerade nicht
der Fall sein sollte, hätte die Beklagte jedenfalls in Kenntnis der
unstreitigen Umstände darauf hinweisen müssen, daß sie derartige
Leistungen - entgegen dem verbreiteten dahingehenden Angebot in den USA
- nicht werde erbringen können bzw. sie hätte klarstellen müssen, daß
sie dies nicht zu erfüllen gewillt war, weil bei dieser Rundreise die
entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Rollstuhlgeeignetheit von
Hotels, denn auch insoweit konnte ein Reisender auch bereits im Januar
1997 davon ausgehen, daß ihm in den USA bei Buchung eines nicht ganz
einfachen Hotels ein behindertengeeignetes Zimmer werde zur Verfügung
gestellt werden können, das heißt eine Räumlichkeit, in der er
angesichts der Größe und der Anordnung der Einrichtung mit dem
Rollstuhl in das Badezimmer, ans Bett und an den Schrank würde gelangen
können, abgesehen davon, daß bei solcher Unterbringung häufig auch
Griffe an Badewanne und Toilette vorhanden sind. Auch insofern enthält
bereits das vorstehend genannte Bundesgesetz (ADA) grundsätzliche
Regelungen, unabhängig davon, daß darüber hinausgehend auch
freiwillig für eine behindertengeeignete bzw. -gerechte Unterbringung
von Körperbehinderten Sorge getragen wird.
Das hier von den Klägern gebuchte Hotel auf Hawaii war auch als gut geführtes
Hotel der Mittelklasse mit 700 modernen, gut eingerichteten Zimmern
ausgeschrieben, so daß die Kläger auch insoweit davon ausgehen
konnten, daß sie in einem rollstuhlgeeigneten Zimmer Unterkunft finden
würden. Anderenfalls hätte die Beklagte auch insoweit darauf hinweisen
müssen, daß dies hier gerade nicht möglich sei, was jedoch widerlegt
ist durch die unstreitige Tatsache, daß dieses Hotel sehr wohl über
entsprechend ausgestattete Zimmer verfügte, von denen die Kläger eines
für die letzten sechs Übernachtungen gegen Aufpreiszahlung ja auch in
Anspruch nehmen konnten.
Demgemäß mußte die Mitarbeiterin der Beklagten, die Kenntnis von der
Rollstuhlfahrereigenschaft der mitreisenden Tochter hatte, davon
ausgehen, daß diese bei Buchung der Reise als wesentlichen
Vertragsbestandteil die im wesentlichen ungehinderte Zugangsmöglichkeit
mit dem Rollstuhl in den Reisebus voraussetzte, ebenso wie die
Benutzbarkeit des Hotelzimmers in Hawaii mit dem Rollstuhl. Wenn die
Beklagte ein solches, in den USA durchaus übliches Angebot nicht
erbringen wollte, hätte sie die Kläger hierauf hinweisen bzw. einen
Vertragsschluß ablehnen müssen.
Eine solche Pflicht entfiel auch nicht angesichts des Umstandes, daß für
die Beklagte nicht konkret erkennbar war, in welchem Umfang die Tochter
auf ihren Rollstuhl angewiesen ist. Wenn diesbezügliche Unklarheiten
bestanden, traf die Beklagte insoweit nämlich jedenfalls eine Pflicht
zur Nachfrage dahingehend, ob diese denn selbst jedenfalls kurzfristig
den Rollstuhl verlassen und jeweils aus eigener Kraft in einen Bus ein-
und aussteigen bzw. sich in einem normalen Hotelzimmer zurechtfinden könne.
Zwar gibt es durchaus körperbehinderte Personen, die nicht ständig auf
den Rollstuhl angewiesen sind, sondern diesen nur für die Überwindung
längerer Strecken benötigen. Da jedoch das Erfordernis der permanenten
Benutzung des Rollstuhls gerade bei einem nicht nur geringen Teil der
Betroffenen besteht, hätte die Beklagte jedenfalls die bei der Tochter
gegebenen Verhältnisse konkret abklären müssen. Insoweit erachtet die
Kammer nämlich eine Fürsorge- und Obhutspflicht des Reiseveranstalters
gegenüber Behinderten als gegeben, wie bereits in der Entscheidung vom
24.7.1989 (NJW 1989, 2397 f.) festgestellt für den Fall der Offenbarung
der auf einer Behinderung beruhenden Bedürfnisse. Die bereits in der
dortigen Entscheidung angesprochenen gebotenen Nachforschungen über die
konkreten Anforderungen an die behindertengerechte Unterkunft zwecks
Verhinderung ansonsten eintretender Beeinträchtigungen sind auch hier
zu bejahen.
Rechtskräftiges Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt
am Main vom 24.06.1999 - Az. 2/24 S 344/98 -
Quelle: Pressemitteilung LG Frankfurt a.M.
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