Contergan-Opfer finden kaum noch Ärzte

Contergan-Opfer finden heute oft keinen Spezialisten zur Behandlung ihrer Leiden. Das hat eine Studie der Universität Münster ergeben. In den späten 50er und frühen 60er Jahren hatte das Schlafmittel Contergan bundesweit bei Schwangeren zu schweren Missbildungen ihrer Kinder geführt.

Mit der neuen Untersuchung lägen erstmals Daten zur Lebensqualität Contergan-geschädigter Frauen in Deutschland vor, teilte die Universität mit. Für die Studie wurden seit 1998 mehr als 100 betroffene Frauen befragt.

43 Prozent der Betroffenen berichteten von Problemen bei der Suche nach einem kompetenten Arzt. 41 Prozent gaben an, ihr Gesundheitszustand verschlechtere sich laufend. Außer einer chronischen Verschlechterung der Bänder wurden auch Probleme mit Augen und Ohren häufig genannt. Ihre Zukunft sehen die heute im Durchschnitt 38 Jahre alten Contergan-Geschädigten pessimistisch. Die meisten befürchteten weitere gesundheitliche Verschlechterungen. Laut Statistik sind Contergan-Opfer häufig unverheiratet, kinderlos und verfügen über erheblich weniger Einkommen als Nichtbehinderte.

Zwischen 1956 und 1962 kamen in Deutschland rund 7000 durch Contergan behinderte Kinder zur Welt. Nach Angaben der Universität überlebten davon etwa 4000. Das Medikament war 1961 verboten worden. Heute leben noch rund 2500 Betroffene, davon etwa die Hälfte Frauen. Contergan-geschädigte Kinder wurden häufig ohne ausgeprägte Gliedmaßen geboren. Bei vielen Betroffenen, weltweit etwa 10 000, sind Füße und Hände direkt an Becken oder Schulter angewachsen. Die Missbildungen wurden von dem entzündungshemmenden Wirkstoff Thalidomid ausgelöst.

 

Kaum Gnade für Arme, Jugendliche und Behinderte

US-Todesstrafenstatistik zeigt die Risikogruppen - Bombenattentäter McVeigh ist kein typischer Todeskandidat Von AP-Korrespondentin Nancy Benac

Washington (AP)

Beinahe alle kommen aus ärmlichen Verhältnissen, viele haben die Highschool abgebrochen und kaum einer hatte vorher schon einen Mord begangen. 710 Männern und sechs Frauen wurden seit der Aufhebung des Todesstrafen-Moratoriums durch das Oberste Gericht im Jahr 1976 in den USA hingerichtet.

       Im Unterschied zu Timothy McVeigh, der mit rechtsextremen Gruppen in Verbindung gebracht wird, hatte kaum einer der Hingerichteten ein politisches Motiv. Die Mehrzahl von ihnen hat auch nur einen Menschen getötet. Bei dem Bombenattentat, das McVeigh am 19. April 1995 auf ein Behördengebäude in Oklahoma verübte, wurden dagegen 168 Menschen getötet.

       Mit 580 vollstreckten Todesurteilen seit 1976 liegen die südlichen US-Staaten deutlich vor den nördlichen. Allein auf Texas entfallen 246 Hinrichtungen, 152 davon in der Zeit, als der amtierende US-Präsident George W. Bush dort noch Gouverneur war. Der älteste Delinquent war 66 Jahre, der jüngste 22 Jahre alt.

       Nur in 15 der 38 US-Staaten, die die Todesstrafe zulassen, muss der Verurteilte zum Zeitpunkt der Tat 18 Jahre alt gewesen sein. Siebzehn der Hingerichteten hatten die Tat vor ihrem 18. Geburtstag begangen.

       Douglas Christopher Thomas erschoss im Alter von 17 Jahren zusammen mit seiner Freundin deren Eltern. Seine vierzehnjährige Freundin wurde nach dem Jugendstrafrecht verurteilt und war schon wieder in Freiheit, als Thomas im Januar 2000 in Virginia hingerichtet wurde. Kurz vor seinem Tod sagte Thomas, er sehe ein, dass er bestraft werden müsse. Aber dass er dafür den höchsten Preis zahlen müsse, während seine Mittäterin, die genauso schuldig sei wie er, schon wieder auf freiem Fuß sei, empfinde er als ein «bisschen extrem».

       Viele der Verurteilten sind arm und müssen ihr Schicksal in die Hände von Pflichtverteidigern legen. Reiche Angeklagte können sich nach Ansicht von Todesstrafengegner bessere Anwälte leisten und so oft ihr Leben erkaufen, auch wenn sie möglicherweise schuldig waren.

       John Young wurde zum Tode verurteilt, weil er drei alte Menschen zu Tode geschlagen und getreten hatte. Die Rechtsanwälte, die Youngs Revision betreuten, legten später dem Berufungsgericht eine eidesstattliche Erklärung des Pflichtverteidigers vor. Darin sagte der Anwalt aus, dass er fast keine Zeit auf Youngs Fall verwenden konnte, weil er zum Zeitpunkt der Verhandlung schwer drogenabhängig war und außerdem eine Krise durchmachte, nachdem er sich entschieden hatte, seine Homosexualität nicht mehr zu verheimlichen. Wenige Wochen später trafen sich Young und sein inzwischen wegen Drogendelikten verurteilter Pflichtverteidiger auf dem Gefängnishof wieder. Das Berufungsgericht befand trotzdem, dass das Verhalten des Anwalts während des Prozesses weitgehend angemessen gewesen sei. Young wurde 1985 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

        Schwarze werden überproportional häufig hingerichtet

       56 Prozent der Hingerichteten sind Weiße, 35 Prozent Schwarze, die übrigen neun Prozent Latinos, Indianer oder Asiaten. Allerdings sind in den USA 80 Prozent der Bevölkerung weiß und nur zwölf Prozent schwarz, so dass - gemessen am Bevölkerungsanteil - die Zahl der dunkelhäutigen Delinquenten überproportional hoch ist. Kritiker weisen außerdem darauf hin, dass die Todesstrafe wesentlich häufiger verhängt werde, wenn das Mordopfer ein Weißer war. Das Oberste US-Gericht befand allerdings im Jahr 1987, dass die vorliegenden Statistiken über einen Einfluss der Hautfarbe auf die Verurteilung nicht ausreichten, um einen Verstoß gegen Verfassungsbestimmungen nachweisen zu können.

       Die Hinrichtung von geistig behinderten Menschen ist lediglich in 14 Staaten verboten. Bei rund 35 der hingerichteten Menschen wurden nach Angaben von Gegnern der Todesstrafe Hinweise auf eine geistige Behinderung festgestellt. Die Anwälte von Terry Washington etwa sahen ihren Mandanten auf dem geistigen Stand eines sechs- bis achtjährigen Kindes. Die Staatsanwaltschaft führte dagegen an, Washington sei fähig gewesen, eine Arbeit auszuüben und ein Verbrechen zu planen. Er wurde 1997 hingerichtet.